Das übergeordnete Projektvorhaben ist der stabile Betrieb des Industrienetzes Max Bögl als Inselnetz. Mit dem ausgearbeiteten Konzept eines Inselnetzbetriebs sollen Handlungsempfehlungen entwickelt werden, wie künftig Industriezellen mit einer hybriden Struktur aus Bezugs- und Erzeugungsanlagen hinsichtlich der Netzanschlussrichtlinien behandelt werden sollten und wie deren Potenziale bestmöglich für die Systemsicherheit des Gesamtsystems genutzt werden können. Im Fokus stehen hierbei auch Systemdienstleistungen, die ein Industriebetrieb für das Verbundnetz leisten kann, wie z.B. Netzwiederaufbau oder gesteuerter Wirk- und Blindleistungshaushalt am Übergabepunkt, welche dann nicht nur im Inselnetzbetrieb, sondern auch in einem Netzparallelbetrieb vermarktet werden können.
Zum Abschluss des Forschungsvorhabens traf sich das Projektkonsortium auf Einladung von Max Bögl am Werksgelände in Sengenthal. Nach einer Vorstellung der wesentlichsten Projektergebnisse im Rahmen mehrerer Vorträge fand eine gemeinsame Diskussionsrunde statt, bei welcher zukünftige und weiterführende Arbeiten und Ideen besprochen wurden. Nach einem gemeinsamen Mittagessen erfolgte eine Führung durch das Betriebsgelände und eine Besichtigung des Batteriespeichers.
Am Campus der OTH Regensburg erfolgte in Zusammenarbeit mit den Partnern INTILION AG und Bredenoord BV die Errichtung eines temporären Outdoor-Leistungslabors. In dem Outdoor-Labor ist eine Anordnung aus Batteriespeicher, Notstromaggregat, Asynchronmaschine, Kondensatorbank und einer einstellbaren Verbrauchslast aufgebaut, die als Inselnetz betrieben werden kann. Bei dem Versuchsaufbau werden verschiedene Inselnetzbildungs- und -regelungsstrategien durch einen Batteriespeicher im Zusammenspiel mit einem Notstromaggregat untersucht und erprobt. Einen weiteren Schwerpunkt stellt die Umsetzung und Analyse einer Resynchronisierung des aufgebauten Inselnetzes im laufenden Betrieb mit dem öffentlichen Versorgungsnetz dar.
Mit dem Abschluss der Integration des Lastprognosemodells in den Netzmanager konnte ein weiterer Meilenstein erreicht werden. Das entwickelte Lastprognosemodell erzeugt aus einem trainierten Machine-Learning-Modell und historischen Lastdaten eine Prognose des Lastverhaltens für unterschiedliche Vorhersagehorizonte.
Für die Lieferung von Einspeiseprognosen des Max Bögl-Anlagenparks wurde ein externer Prognoseanbieter beauftragt. Hierzu wurden die Stamm- und Anlagendaten der PV- und Windenergieanlagen hinterlegt sowie historische Messdaten hochgeladen, um die Prognosemodelle zu trainieren. Die Anbindung an den Netzmanager erfolgt über eine API-Schnittstelle des Anbieters, die per Python-Skript bedient wird. Um die Prognosemodelle des Anbieters zu optimieren, findet fortlaufend eine Übermittlung der gemessenen Leistungsdaten an den einzelnen Anlagen statt.
Die Entwicklung der Anlageneinsatzplanung für den Netzparallelbetrieb konnte vorläufig abgeschlossen werden. Nach Abstimmung der Anforderungen an die Anlageneinsatzplanung im Netzparallelbetrieb mit der Fa. Max Bögl wurde ein mathematisches Optimierungsmodell erstellt, welches die Speicherbewirtschaftung des Batteriespeichers in Abhängigkeit variabler Strompreise und in Vorbereitung für einen Inselnetzbetrieb lenkt und die Strombezugskosten an den Lastmanager im Werksnetz weiterleitet. Für den Realbetrieb wurden umfangreiche Funktionstests durchgeführt.
Im Sommer 2022 konnte die Installation der 1,5 MW schwimmenden PV-Anlage am Baggersee des Werksnetzes der Fa. Max Bögl abgeschlossen werden. Die neue schwimmende PV-Anlage kann zukünftig mit ihrer schnellen und stufenlosen Regelbarkeit einen wichtigen Beitrag zur Inselnetzstabilität liefern.
Mit der Spezifikation, Auswahl und Installation des Netzmanagers (Industrie-PC mit SPS-System) konnte ein zentraler Meilenstein des Forschungsprojektes erreicht werden. Unter Berücksichtigung der Anforderungen (Rechenleistung, Anbindung/Integration im Max Bögl-Werksnetz) wurde mit der Auswahl eines Industrie-PCs inkl. Softwarepaketen die geeignete Hardware und Software für die Umsetzung des Netzmanagers angeschafft. Es erfolgte die Installation und Einrichtung des Industrie-PCs sowie die Klärung der relevanten Schnittstellen zwischen dem INZELL Netzmanager und dem bereits bestehenden IKT-Systemen bei Max Bögl. Für den Fernzugriff zum Netzmanager wurde ein VPN-Router durch die Fa. Max Bögl installiert und eingerichtet. Im weiteren Verlauf können nun die verschiedenen Funktionsbausteine, wie zum Beispiel die Anlageneinsatzplanung oder der Zentralregler, integriert und weiterentwickelt werden.
Der Aufbau des stationären Simulationsmodells über das Netzsimulationsprogramm PowerFactory wurde abgeschlossen. Es erfolgte eine detaillierte Nachbildung der Netzstruktur sowie eine umfassende Validierung anhand Messdaten. Für die Untersuchung der stationären Inselnetzstabilität erfolgte die Entwicklung eines externen Lastflussberechnungs-Tools zur Berechnung der stationären Arbeitspunkte nach Einsatz der Primär- und Sekundärregelung. Damit konnte der Grundstein für die weitergehende Entwicklung eines Regelkonzeptes für den Inselnetzbetrieb gelegt werden.
Mit der Erfassung der Netzstruktur inklusive der technischen Kenngrößen der Erzeugungsanlagen und Laststationen sowie der im Netz integrierten Informations- und Kommunikationsstrukturen konnte ein wichtiger Meilenstein für die Nachbildung und Untersuchung der Industriezelle in den Simulationsmodellen erreicht werden.
Durch die Integration des 2,5 MW Batteriespeichers von INTILION ist zukünftig eine Senkung der Leistungsspitzen um bis zu 25 % möglich. Für den angestrebten Inselnetzbetrieb der Industriezelle nimmt der Batteriespeicher als Netzbildner sowie zur Bereitstellung synthetischer Momentanreserve eine zentrale Rolle ein.
Auf Seiten der Industriebetriebe erfordern die zunehmend kostensensitiven Fertigungsprozesse eine hohe Zuverlässigkeit der Stromversorgung. Hingegen entstehen durch die Verdrängung von Großkraftwerken offene Flanken im Bereich der Systemsicherheit, insbesondere bei
Viele Betriebe verfügen bereits über eine Eigenerzeugung, um unabhängiger von Strombezugskosten zu sein. Bedeutender wird auch der Aspekt der Eigenabsicherung bzw. der höheren Versorgungsqualität werden, da sowohl länger andauernde Versorgungsausfälle als auch Spannungseinbrüche des öffentlichen Versorgungsnetzes zu hohen Kosten durch Produktionsstillstand und Schäden führen können.
In Verbindung mit Batteriespeichern (im Folgenden Speicher), Eigenerzeugungsanlagen und regel- oder abschaltbaren Bezugsanlagen besteht mit einem intelligenten Konzept die Möglichkeit der Weiterversorgung. Die für den Inselnetzbetrieb erforderliche Bereitstellung der Momentanreserve und Blindleistung könnte auch im Netzparallelbetrieb als Systemdienstleistung angeboten werden. Ebenso wäre eine teil- bzw. zeitweise Vermarktung der Wirkleistungsvorhaltung als Regelleistung oder für den Netzwiederaufbau möglich. Dieses technische und monetäre Potenzial von Industriebetrieben gilt es in zukünftige Konzepte der Systemsicherheit zu integrieren.
Eine Besonderheit des Vorhabens besteht darin, neben den Erzeugungsanlagen und dem Speicher auch einzelne Bezugsanlagen, soweit möglich, in die Inselnetzregelung miteinzubeziehen. Hierzu soll ihre Wirkleistungsaufnahme frequenzabhängig erfolgen. Außerdem soll geprüft werden, ob und wie lange die Lastaufnahme bei abweichender Netzfrequenz oder Spannung erfolgen kann. Zudem soll die Abschaltung von Bezugsanlagen priorisiert erfolgen, um damit eine angepasste Inselnetzversorgungszeit sicherzustellen und/oder einen gesicherten Beitrag für den Netzwiederaufbau erbringen zu können. Um die Freiheitsgrade bei der Vermarktung von Systemdienstleistungen zu erhöhen, wird zusätzlich zum reinen Inselnetzbetrieb mittels Erzeugungsanlagen-, Speicher- und Laststeuerung auch die Einbindung und das Zusammenspiel mit einem Notstromaggregat untersucht.
Der Industriebetrieb Max Bögl in Sengenthal weist eine Maximallast von 6,3 MW auf. Im Industrienetz sind Photovoltaikanlagen mit insgesamt 2,5 MW sowie drei Windenergieanlagen , eine davon von Siemens Gamesa, mit insgesamt 9,6 MW angeschlossen. Zur Sicherstellung der Inselnetzfähigkeit erfolgt die Installation eines Batteriespeichers mit insgesamt 2,5 MW. Davon dienen 0,5 MW während der Projektphase zur Bereitstellung einer synthetische Momentanreserve. Im Feldversuch werden optional noch Netzersatzanlagen integriert.