INZELL

Forschungsprojekt INZELL

Netzstützung und Systemdienstleistungserbringung durch eine Industriezelle mit Inselnetzfähigkeit und Erneuerbaren Energien

Gesamtziel des Vorhabens

Das übergeordnete Projektvorhaben ist der stabile Betrieb des Industrienetzes Max Bögl als Inselnetz. Mit dem ausgearbeiteten Konzept eines Inselnetzbetriebs sollen Handlungsempfehlungen entwickelt werden, wie künftig Industriezellen mit einer hybriden Struktur aus Bezugs- und Erzeugungsanlagen hinsichtlich der Netzanschlussrichtlinien behandelt werden sollten und wie deren Potenziale bestmöglich für die Systemsicherheit des Gesamtsystems genutzt werden können.  Im Fokus stehen hierbei auch Systemdienstleistungen, die ein Industriebetrieb für das Verbundnetz leisten kann, wie z.B. Netzwiederaufbau oder gesteuerter Wirk- und Blindleistungshaushalt am Übergabepunkt, welche dann nicht nur im Inselnetzbetrieb, sondern auch in einem Netzparallelbetrieb vermarktet werden können.

Teilvorhaben und Forschungsziele der Projektpartner
  • Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg: Konzeption und Umsetzung des Netzparallel- und Inselnetzbetriebs mit Fokus auf Anlageneinsatzplanung sowie Netzmanager
  • Technische Universität Clausthal: Hochdynamische Stabilitätsbetrachtungen der transienten Vorgänge im Inselnetzbetrieb
  • Technische Universität München: Konzeption und Umsetzung des Inselnetzbetriebs mit dezentralen Erzeugungsanlagen und Resynchronisation eines Inselnetzes mit Fokus auf dynamischer Stabilität
  • Max Bögl Wind AG: Durchführung von Feldversuchen, Anpassung der betrieblichen Infrastruktur und Ausarbeitung potentieller Systemdienstleistungen
  • INTILION AG: Entwicklung von Regelungsstrukturen und Algorithmen eines Batteriespeichers für Spitzenlastmanagement, Schwarzstartfähigkeit und Inselnetzbetrieb

Projektfortschritt

September 2023
Projektmeilenstein OTH/TUM/TUC
Abschluss von Testreihen am OTH Outdoor-Leistungslabor

Am Campus der OTH Regensburg erfolgte in Zusammenarbeit mit den Partnern INTILION AG und Bredenoord BV die Errichtung eines temporären Outdoor-Leistungslabors. In dem Outdoor-Labor ist eine Anordnung aus Batteriespeicher, Notstromaggregat, Asynchronmaschine, Kondensatorbank und einer einstellbaren Verbrauchslast aufgebaut, die als Inselnetz betrieben werden kann. Bei dem Versuchsaufbau werden verschiedene Inselnetzbildungs- und -regelungsstrategien durch einen Batteriespeicher im Zusammenspiel mit einem Notstromaggregat untersucht und erprobt. Einen weiteren Schwerpunkt stellt die Umsetzung und Analyse einer Resynchronisierung des aufgebauten Inselnetzes im laufenden Betrieb mit dem öffentlichen Versorgungsnetz dar.

Oktober 2022
Projektmeilenstein OTH
Entwicklung und Integration des Lastprognosemoduls

Mit dem Abschluss der Integration des Lastprognosemodells in den Netzmanager konnte ein weiterer Meilenstein erreicht werden. Das entwickelte Lastprognosemodell erzeugt aus einem trainierten Machine-Learning-Modell und historischen Lastdaten eine Prognose des Lastverhaltens für unterschiedliche Vorhersagehorizonte.

Oktober 2022
Projektmeilenstein OTH
Integration der Einspeiseprognose

Für die Lieferung von Einspeiseprognosen des Max Bögl-Anlagenparks wurde ein externer Prognoseanbieter beauftragt. Hierzu wurden die Stamm- und Anlagendaten der PV- und Windenergieanlagen hinterlegt sowie historische Messdaten hochgeladen, um die Prognosemodelle zu trainieren. Die Anbindung an den Netzmanager erfolgt über eine API-Schnittstelle des Anbieters, die per Python-Skript bedient wird. Um die Prognosemodelle des Anbieters zu optimieren, findet fortlaufend eine Übermittlung der gemessenen Leistungsdaten an den einzelnen Anlagen statt.

Oktober 2022
Projektmeilenstein OTH
Entwicklung der Anlageneinsatzplanung für den Netzparallelbetrieb

Die Entwicklung der Anlageneinsatzplanung für den Netzparallelbetrieb konnte vorläufig abgeschlossen werden. Nach Abstimmung der Anforderungen an die Anlageneinsatzplanung im Netzparallelbetrieb mit der Fa. Max Bögl wurde ein mathematisches Optimierungsmodell erstellt, welches die Speicherbewirtschaftung des Batteriespeichers in Abhängigkeit variabler Strompreise und in Vorbereitung für einen Inselnetzbetrieb lenkt und die Strombezugskosten an den Lastmanager im Werksnetz weiterleitet. Für den Realbetrieb wurden umfangreiche Funktionstests durchgeführt.

August 2022
Projektmeilenstein Max Bögl
Inbetriebnahme der schwimmenden PV-Anlage

Im Sommer 2022 konnte die Installation der 1,5 MW schwimmenden PV-Anlage am Baggersee des Werksnetzes der Fa. Max Bögl abgeschlossen werden. Die neue schwimmende PV-Anlage kann zukünftig mit ihrer schnellen und stufenlosen Regelbarkeit einen wichtigen Beitrag zur Inselnetzstabilität liefern.

Juli 2022
Projektmeilenstein OTH
Spezifikation, Anschaffung und Installation des Netzmanagers

Mit der Spezifikation, Auswahl und Installation des Netzmanagers (Industrie-PC mit SPS-System) konnte ein zentraler Meilenstein des Forschungsprojektes erreicht werden. Unter Berücksichtigung der Anforderungen (Rechenleistung, Anbindung/Integration im Max Bögl-Werksnetz) wurde mit der Auswahl eines Industrie-PCs inkl. Softwarepaketen die geeignete Hardware und Software für die Umsetzung des Netzmanagers angeschafft. Es erfolgte die Installation und Einrichtung des Industrie-PCs sowie die Klärung der relevanten Schnittstellen zwischen dem INZELL Netzmanager und dem bereits bestehenden IKT-Systemen bei Max Bögl. Für den Fernzugriff zum Netzmanager wurde ein VPN-Router durch die Fa. Max Bögl installiert und eingerichtet. Im weiteren Verlauf können nun die verschiedenen Funktionsbausteine, wie zum Beispiel die Anlageneinsatzplanung oder der Zentralregler, integriert und weiterentwickelt werden.

November 2021
Projektmeilenstein OTH
Fertigstellung des Quasi-Stationären Simulationsmodells

Der Aufbau des stationären Simulationsmodells über das Netzsimulationsprogramm PowerFactory wurde abgeschlossen. Es erfolgte eine detaillierte Nachbildung der Netzstruktur sowie eine umfassende Validierung anhand Messdaten. Für die Untersuchung der stationären Inselnetzstabilität erfolgte die Entwicklung eines externen Lastflussberechnungs-Tools zur Berechnung der stationären Arbeitspunkte nach Einsatz der Primär- und Sekundärregelung. Damit konnte der Grundstein für die weitergehende Entwicklung eines Regelkonzeptes für den Inselnetzbetrieb gelegt werden.

April 2021
Projektmeilenstein OTH/TUM/TUC
Abschluss der Bestandsaufnahme des Industrienetzes Max Bögl in Sengenthal

Mit der Erfassung der Netzstruktur inklusive der technischen Kenngrößen der Erzeugungsanlagen und Laststationen sowie der im Netz integrierten Informations- und Kommunikationsstrukturen konnte ein wichtiger Meilenstein für die Nachbildung und Untersuchung der Industriezelle in den Simulationsmodellen erreicht werden.

März 2021
Projektmeilenstein Max Bögl
Inbetriebnahme des Batteriespeichers

Durch die Integration des 2,5 MW Batteriespeichers von INTILION ist zukünftig eine Senkung der Leistungsspitzen um bis zu 25 % möglich. Für den angestrebten Inselnetzbetrieb der Industriezelle nimmt der Batteriespeicher als Netzbildner sowie zur Bereitstellung synthetischer Momentanreserve eine zentrale Rolle ein.

Hintergrund und Problemstellung

Auf Seiten der Industriebetriebe erfordern die zunehmend kostensensitiven Fertigungsprozesse eine hohe Zuverlässigkeit der Stromversorgung. Hingegen entstehen durch die Verdrängung von Großkraftwerken offene Flanken im Bereich der Systemsicherheit, insbesondere bei

  • der Blindleistung im Übertragungsnetz, wo trotz Zunahme der Vorhaltung steigende Defizite im Blindleistungshaushalt für die Zukunft vorhergesagt werden [1],
  • der Momentanreserve, die nicht mehr systemimmanent in vielen Erzeugungs- und Bezugsanlagen vorhanden ist und
  • dem Netzwiederaufbau, der bislang mittels Großkraftwerken geplant ist.

Viele Betriebe verfügen bereits über eine Eigenerzeugung, um unabhängiger von Strombezugskosten zu sein. Bedeutender wird auch der Aspekt der Eigenabsicherung bzw. der höheren Versorgungsqualität werden, da sowohl länger andauernde Versorgungsausfälle als auch Spannungseinbrüche des öffentlichen Versorgungsnetzes zu hohen Kosten durch Produktionsstillstand und Schäden führen können.

Lösungsansatz und Anwendungsszenarien

In Verbindung mit Batteriespeichern (im Folgenden Speicher), Eigenerzeugungsanlagen und regel- oder abschaltbaren Bezugsanlagen besteht mit einem intelligenten Konzept die Möglichkeit der Weiterversorgung. Die für den Inselnetzbetrieb erforderliche Bereitstellung der Momentanreserve und Blindleistung könnte auch im Netzparallelbetrieb als Systemdienstleistung angeboten werden. Ebenso wäre eine teil- bzw. zeitweise Vermarktung der Wirkleistungsvorhaltung als Regelleistung oder für den Netzwiederaufbau möglich. Dieses technische und monetäre Potenzial von Industriebetrieben gilt es in zukünftige Konzepte der Systemsicherheit zu integrieren.

Innovationsbereiche

Eine Besonderheit des Vorhabens besteht darin, neben den Erzeugungsanlagen und dem Speicher auch einzelne Bezugsanlagen, soweit möglich, in die Inselnetzregelung miteinzubeziehen. Hierzu soll ihre Wirkleistungsaufnahme frequenzabhängig erfolgen. Außerdem soll geprüft werden, ob und wie lange die Lastaufnahme bei abweichender Netzfrequenz oder Spannung erfolgen kann. Zudem soll die Abschaltung von Bezugsanlagen priorisiert erfolgen, um damit eine angepasste Inselnetzversorgungszeit sicherzustellen und/oder einen gesicherten Beitrag für den Netzwiederaufbau erbringen zu können. Um die Freiheitsgrade bei der Vermarktung von Systemdienstleistungen zu erhöhen, wird zusätzlich zum reinen Inselnetzbetrieb mittels Erzeugungsanlagen-, Speicher- und Laststeuerung auch die Einbindung und das Zusammenspiel mit einem Notstromaggregat untersucht.

Beschreibung des Industrienetzes Max Bögl in Sengenthal

Der Industriebetrieb Max Bögl in Sengenthal weist eine Maximallast von 6,3 MW auf. Im Industrienetz sind Photovoltaikanlagen mit insgesamt 2,5 MW sowie drei Windenergieanlagen , eine davon von Siemens Gamesa, mit insgesamt 9,6 MW angeschlossen. Zur Sicherstellung der Inselnetzfähigkeit erfolgt die Installation eines Batteriespeichers mit insgesamt 2,5 MW. Davon dienen 0,5 MW während der Projektphase zur Bereitstellung einer synthetische Momentanreserve. Im Feldversuch werden optional noch Netzersatzanlagen integriert.

Momentaufnahme aus dem Leitsystem des Max-Bögl-Industrienetzes am Standort Sengenthal
Momentaufnahme aus dem Leitsystem des Max-Bögl-Industrienetzes am Standort Sengenthal

Weitere Informationen zum Download

Pressemappe zum Projektstart

Bayernwerk Netz

Energiezelle Max Bögl

ETG Kongres 2021 Energiezelle Max Bögl

VDE Planung zellulare Energiesysteme